Sterntaler 5

Diesen Text habe ich vor beinahe 15 Jahren geschrieben. Weil
ich daraus Teile in meinem zweiten Buch verwendet habe, wollte
ich es damit bewenden lassen. Inzwischen merke ich aber, wie
viele Konflikte überall auftreten ohne Lösungsmöglichkeiten.
Darum erscheint es mir angebracht, meine eigenen Erfahrungen
an dieser Stelle noch einmal aufzuzeigen.

Heidemarie Schwermer

Sterntaler 5

Jeder Konflikt – ein Gewinn.

Wege zum Miteinander

Beim Betreten des Hauses spüre ich einen Schwall dicke Luft mir entgegenströmen. Ich öffne die Tür zum Erdgeschoss und sehe den jungen Mann am Schloss der Küchentür werkeln. Dabei höre ich ihn folgende Worte murmeln: „Das hört hier auf! So geht das nicht weiter. Schluss damit.“ Offensichtlich ist er dabei, das Schloss auszutauschen, von dem wir auch einen Schlüssel haben. Er verbreitet eine für mich kaum erträgliche Atmosphäre. Trotzdem lasse ich mich auf ihn ein und frage nach dem Grund seines Unmuts. „Geklaut haben sie, unsere gute neue Maschine ist weg. Das hört jetzt aber auf. Es kommt hier keiner mehr rein, der hier nichts zu suchen hat, ihr auch nicht.“

Diese Worte treffen mich. In meiner Magengrube verspüre ich einen starken Druck. Ich atme tief ein und versuche, ruhig zu bleiben. „Ich finde es aber nicht in Ordnung, dass du uns einfach vor vollendete Tatsachen stellst. Vielleicht gäbe es ja eine andere Lösung“, sage ich und höre selber einen beleidigten Unterton in meiner Stimme. Da ich keine Antwort erhalte, ziehe ich mich zurück.

Ich bin ärgerlich und überlege, was zu tun ist. Wenn wir die Küche nicht mehr benutzen dürfen, fällt ein wichtiger Teil unserer jetzigen Kommunikation weg. So schnell werden wir keine anderen Räume als Ersatz finden. Die Kochgruppe ist gerade richtig in Schwung. Nein, das darf nicht unterbrochen werden.

Aber was können wir tun? Wir haben kein Recht, hier irgendetwas einzufordern. Schließlich zahlen wir keine Miete, haben keinen Vertrag. Und dennoch spüre ich den Kampfgeist in mir aufsteigen, den ich nur allzu gut kenne.

Vor Jahren gab es eine ähnliche Situation. Ich arbeitete für einen Verein in einem Haus, in dem ein Mann das Sagen hatte. Er nutzte seine Position aus und schaffte es immer wieder, Leute, die ihm nicht gefielen, hinauszuwerfen. Eines Tages wollte er das auch mit mir tun. Ich krempelte die Ärmel hoch und stellte mich einem monatelangen Streit, in dem ich Siegerin blieb. Damals musste ich viel Energie investieren. Ich arbeitete jedoch weiter in dem Haus und war stolz auf meinen Erfolg. Aber ich schwor mir, solche Situationen in Zukunft zu meiden.

Und jetzt bin ich an einem ganz ähnlichen Punkt. Was sollte ich nur tun?

Ich mache mir zunächst ganz allgemeine Überlegungen zu dem Thema Konflikt. Ein Konflikt entsteht, wenn zwei Parteien unterschiedliche Einstellungen haben. Oft ist es so, dass jeder glaubt, er sei im Recht. Bei einem Konflikt geht es meist um Macht. Wenn ich in der Ohnmachtposition bin, wie in diesem Fall, geht es mir besonders schlecht. Und darum versuche ich, mit allen Mitteln wieder stark zu werden und an einen, an meinen Sieg zu glauben. Sicher ist das ein wichtiger Punkt, warum Kriege entstehen. Jeder möchte gewinnen, und am Schluss gibt es dann einen Gewinner und einen Verlierer.

In meiner Arbeit als Psychotherapeutin ging es sehr häufig um Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Parteien. Mit meinen Klienten begann ich, nach und nach Konflikte so zu behandeln, dass am Ende zwei Gewinner da waren. Der Konflikt wurde nicht mehr als lästiges Übel empfunden, sondern als Lernchance.

Durch einen Konflikt werde ich aufgerüttelt. In mir gibt es einen Prozess, der mich aus dem Gleichgewicht wirft und Aktivität von mir fordert.

Mit solchen Gedanken und etwas unruhigen Gefühlen setze ich mich vor den Computer und beginne einen Brief.

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