Liebe Leser und Leserinnen,
ein Jahr geht zu Ende- ein sehr bewegtes Jahr- für mich jedenfalls!
War ich zu Beginn des Jahres ein wenig ratlos gewesen, weil meine Pläne
sich nicht verwirklichen liessen, weil ich mir etwas Neues ausdenken
musste und gar nicht wusste, was dieses Neue hätte sein sollen, so bin
ich doch erstaunt, wie sich alles ergeben hat. Einfach so, ohne Komplikationen.
Eine Einladung reihte sich an die andere, ein Vortrag löste den nächsten
ab, und ich hatte genügend zu tun.
Höhepunkt des Jahres war wohl die Weltpremiere für den Film “living
without money” am 26.11.10 in Oslo. Immerhin wurde an dem Film lange
gearbeitet. Erst mit Ulrike Korbach aus Dortmund, die mich einige Jahre
filmisch begleitete und ihr ganzes Material an Line Halverson und Paolo
Pallavidino verkaufte, die dann nochmals zwei Jahre meine persönlichen
Erlebnisse festhielten. Dazu möchte ich bemerken, dass ich die
Filmemacher keineswegs um ihre Aufgabe beneidete. Ich bin nämlich keine gute
“Schauspielerin”, erledigte meinen job nicht gerade euphorisch und sah
ihn oftmals als Pflichtübung an. Im Gegensatz zu den negativen Stimmen aus
dem Internet, die ”die Schwermer schon mal als mediengeil” bezeichneten, tue
ich mich immer noch nach so vielen Erfahrungen schwer mit den Medien,
besonders wenn eine Kamera dabei ist. Wie glücklich war ich, als endlich
alles im Kasten war, die letzten Bilder eingefangen und zur Weiterverarbeitung bereit standen. Hatte ich an dem Ergebnis nach der Sicht des rough cuts zunächst einige Bedenken, weil ich das Gefühl hatte, meine wichtigsten Botschaften seien nicht dabei, beruhigte ich mich wieder und nahm alles so an, wie es war. Meine Reise nach Oslo und die dortigen Erfahrungen brachten mich ein
Stück weiter auf dem Weg der Bewusstseinserweiterung, der für mich das A und O meines jetzigen Lebens darstellt. Ich bin davon überzeugt, dass alles,
was mir begegnet, eine Rolle spielt, nichts geschieht einfach so und zufällig
sondern macht Sinn, wenn ich genau hinschaue.
In Oslo gab es mal wieder eine Lektion für Bescheidenheit. Dazu möchte
ich erläutern, dass mein Name Heidemarie von Adelheid kommt, was die Stolze
bedeutet. Den Stolz, den ich manchmal mit Hochmut gleichsetze, zu
bekämpfen, ihn zu überwinden, zählt zu meinen Hauptaufgaben in diesem
Leben. Wie oft wurde ich konfrontiert mit Situationen, die mich vor
Stolz beinahe platzen liessen. Da erinnere ich mich, wie meine Tochter mir mal
als Achtjährige nahebrachte: Ich würde nicht zu stolz auf meine Kinder sein! Sie waren so schön, so klug, so einsichtig. Das änderte sich total,
als sie ihren Ausstieg aus der Gesellschaft nahmen…
Gut, dieses Drama haben wir wunderbar gelöst. Wir alle sind daran
gewachsen. Auch die anderen Situationen nahm ich an und behandelte sie
so gut es ging.
Als ich in Oslo ins Kino kam und überall das Plakat von mir wahrnahm,
das mir so gut gefällt, dann unter den Zuschauern sass, um mit ihnen die
eingefangenen Szenen aus meinem Leben zu betrachten, breitete sich eine
große Freude in mir aus – oder war es etwa dieser Stolz, den ich nicht
mehr wollte?
Mir kam die Friedenspreisverleihung vor genau zwei Jahren in Florenz in
den Sinn. Auch da hatte ich mich zusammengenommen und meinen Stolz
bezähmt.
Inzwischen habe ich für mich erkannt, dass aus dem Stolz, der in
negativer Form sich über andere erhebt und sich mit anderen in Konkurrenz stellt,
eine Freude geworden ist, die mit positiver Ausstrahlung einhergeht und
die Welt ein bisschen besser macht. Meine Freude zu geniessen über die
Dinge, die mir vom Leben geschenkt werden und die anzunehmen ich
inzwischen gelernt habe, fühlt sich wunderbar an.
Eine andere wichtige Sache in diesem Jahr war der Eintritt in facebook für
mich. Es gibt schon so viele fb- Freunde und endlich eine Möglichkeit,
Texte und Situationen mit anderen zu teilen. Auch hier sehe ich eher das
Positive, weil diese Plattform mir zeigt, wie unwichtig Altersunterschiede
oder andere Merkmale sind und wie einfach Verständigung gehen kann.
Die Konferenzschaltung am 17.Oktober mit den “moneyless guys” war auch ein
Höhepunkt in diesem Jahr. Zu wissen, dass es schon so viele Gleichgesinnte
gibt, die ihren Aus- oder besser Umstieg ebenso geplant und überdacht
haben wie ich, berührt und erfreut mich sehr. So kann ich sagen: Alles in
allem war es ein wunderbares, bewegtes Jahr für mich!
Für das neue Jahr wünsche ich das Allerbeste!
Heidemarie Schwermer im Dezember 2010